Fortbildung aktuell [ Das Journal ] 2/2018

PROF. DR. MONA ABDEL-TAWAB

Qualität von halbfesten Zubereitungen und Kapseln Wichtige Aspekte in der Praxis

Mit der Herstellung von Rezepturen können Apotheker gezielt auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Pati- enten eingehen und damit das per- fekte Arzneimittel mit der perfekt angepassten Dosierung und Zusam- mensetzung jedermann zur Verfü- gung stellen. Als wichtiges Stand- bein der zunehmenden personalisierten Medizin wird daher die Rezeptur trotz des hohen Ange- bots an industriellen Fertigpräpara- ten auch zukünftig noch mehr an Bedeutung gewinnen. Über die ver- schiedenen Einflussfaktoren auf die Qualität von halbfesten Zubereitun- gen und Kapseln wurde schon vie- lerorts ausgiebig berichtet. Da es aber dennoch immer wieder zu Minder- oder Überdosierungen ins- besondere bei niedrigdosierten Re- zepturarzneimitteln kommt, wer- den die wichtigsten Qualitätsaspekte im Folgenden in kurzer und übersichtlicher Form er- neut zusammengefasst. Ebenso werden neuste Erkenntnisse aus Untersuchungen des Zentrallabora- toriums (ZL) präsentiert, die bele- gen, dass die in diversen Rezepturen häufig angenommene Stabilität kei- neswegs immer gegeben ist. Trotz aller Sorgfalt kann es bei der Herstellung von Rezepturen in der Hektik des Apothekenalltags zu Fehlern kommen. Diese äußern sich beispielsweise in mehr- fachen Überdosierungen des Wirkstoffes, wie im Falle einer zehnfach höheren Me- thadon-Konzentration einer Take-Home- Lösung für einen Substitutionspatienten, einer zehnfach höheren Amilorid-Konzen- tration in rezepturmäßig hergestellten Hartkapseln oder einer deutlich höheren Salicylsäure-Konzentration in einer Sali- cylsäure-haltigen Salbe. 1 Aber auch Wirk- stoffverwechslungen können zu fehlerhaf- ten Rezepturen führen. So kam es durch die Verwechslung von Amphetamin mit Atropin und Kalium chloricum mit Kalium

Prof. Dr. Mona Abdel-Tawab ist seit 2011 die stellvertreten- de wissenschaftliche Leitung des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker und Qualified Person gemäß Direk- tive 2001/83/EG.

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chloratum bereits zu nicht unerheblichen klinisch relevanten Intoxikationen. 1 Eben- so kann eine mangelnde Wirkstoffstabili- tät oder Inkompatibilität des Wirkstoffes mit Hilfsstoffen bzw. Füllstoffen zu einem geringeren Wirkstoffgehalt führen. Häufigste Ursachen für Rezepturfehler In der Regel erfolgt die Rezepturherstel- lung in öffentlichen Apotheken unter erheblichem Zeitdruck während des lau- fenden Apothekenbetriebs durch eine einzelne Person. Unter diesen Bedingun- gen kann es leicht zu Flüchtigkeitsfeh- lern kommen. Davor schützt auch nicht das Gefühl einer „trügerischen Routine“. Ebenso können Ablenkungen, Rechen- fehler, Falscheinwaagen, nicht beachtete Einwaagekorrekturen oder mangelnde Terminologie-Kenntnisse zu folgeschwe- ren Fehlern führen. Vor diesem Hinter- grund ist es umso wichtiger, die folgen- den Regeln bei der Rezepturherstellung zu beachten. 2,3 Cave Verzicht auf Vier-Augen-Prinzip Während ohne das Vier-Augen-Prinzip in der pharmazeutischen Industrie nichts mehr läuft, wird es in Apotheken immer noch nicht so vehement angewendet, wie es sein sollte. Das ist bedauerlich, zumal sich dadurch viele Fehler bei der Rezep- turherstellung vermeiden lassen, wie fol- gendes Fallbeispiel aus dem internetge-

stützten Fehlerberichts- und Lernsystem CIRS (Critical Incident Reporting-System) der Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe zeigt. 4 Was ist passiert? Für einen Säugling wurden in einer Apo- theke Captopril 2 mg Kapseln in zwei Her- stellungsvorgängen à 60 Kapseln herge- stellt. Die Herstellungsanweisung wurde jedoch für die einmalige Herstellung von 120 Kapseln erstellt. Demzufolge müss- te bei der Herstellung von 60 Kapseln die Einwaage entsprechend halbiert werden. Es wurde jedoch Captopril für 120 Kap- seln eingewogen aber es sind lediglich 60 Kapseln hergestellt worden. Damit waren die hergestellten Kapseln doppelt so hoch dosiert wie verordnet. Zum Glück wurde der Fehler bei nochmaliger Durchsicht des Herstellungsprotokolls vor der Abgabe der Kapseln an den Patienten bemerkt und da- mit größeren Schaden von dem Patienten abgewendet. Zwei Fehler haben zu diesem Ereig- nis geführt: einmal eine unklare Herstel- lungsanweisung und zum anderen der Verzicht auf das Vier-Augen-Prinzip bei der Einwaage. Gemäߧ 35Abs. 6Apothekenbetriebs- ordnung (ApBetrO) muss die Herstellungs- anweisung für parenterale Arzneimittel auch die Kontrolle der Berechnungen, der

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