Fortbildung aktuell [Das Journal] 2/2017

ARZNEIMITTEL FÜR KINDER

und anschließend in den Nacken, wobei es kräftig schlucken soll. Anschließend sollte es ein großes Glas Wasser trinken. Minitabletten haben einen Durch- messer von etwa 2 Millimetern. Vorteile dieser Darreichungsform sind, dass sie genau und altersgerecht dosiert wer- den können. Auch sind viele Arzneistoffe in festem Zustand besser haltbar als in flüssiger Formulierung. Studien zeigen, dass Minitabletten auch von den kleinen Patienten recht problemlos angewen- det und akzeptiert werden: Mehr als drei Viertel der vier-und fünfjährigen Kinder konnten in einer Untersuchung Minita- bletten ohne Probleme schlucken. Auch in weiteren Studien punkteten die Mi- nitabletten bei Akzeptanz und Compli- ance: Die Kinder gaben ihnen sogar den Vorzug vor Saft oder Sirup. Bislang gibt es allerdings noch kaum Minitabletten auf dem Markt (zum Beispiel Orfiril® long Retard-Minitabletten). Eine Weiterentwicklung sind orodis- persible Minitabletten, die in der Mund- höhle zerfallen und den Wirkstoff frei- setzen. Bekannt ist die Technologie etwa von den Fluoretten® zur Kariesprophylaxe für Kinder. In klinischen Studien werden orodispersible Minitabletten bei weiteren Indikationen getestet. Auch Schmelzta- bletten und Lyophilisate sind im Grunde geeignete Kinder-Arzneiformen. Einige spezielle Kinder-Präparate (zum Beispiel Nurofen® Schmelztabletten Lemon ge- gen Schmerzen oder Aerius® Schmelzta- bletten bei Allergie) sind bereits in dieser Formulierung auf dem Markt. Nachteilig ist allerdings, dass Lyophilisate hygrosko- pisch und fragil sind und außerdem relativ teuer zu produzieren. REFERENZEN & LITERATUR 1 von Mandach U. Wirksamkeit und Sicherheit von Kinderarzneimitteln aus pharmakologi- scher Sicht. Pädiatrie 4+5/09, abrufbar unter www.sprechzimmer.ch 2 Koletzko B, Harnack GA. Kinderheilkunde und Jugendmedizin. 12. Auflage. Springer Verlag, Berlin. 2003. 3 Hinneburg I. Sichere Arzneitherapie bei Kindern. Pharm Ztg. 2011; 156: 2588 – 2589. 4 Modifiziert nach: Glaeske G, Keller S. Kinder und Arzneimittel. Herausgeber: Techniker Kranken- kasse, abrufbar unter www.tk.de, Stand: August 2015. 5 Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie

ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen: Ihr Stoffwechsel unterscheidet sich grund- legend von dem Erwachsener. So ist bei Säuglingen etwa die Magen-Darm-Motilität verzögert, Organbarrieren wie die Blut-Hirn-Schranke sind noch nicht vollständig ausgereift. Außerdem ist der Körperwasseranteil erhöht, Leber und Nieren arbeiten noch nicht in vollem Ausmaß. Das alles hat Einfluss auf die Resorption, Verteilung und Metabolisierung von Arzneistoffen und damit auf die Dosis. Insbesondere bei schwerwiegenden, seltenen Erkrankungen gibt es nicht genü- gend Arzneimittel, die an Kindern getestet wurden und für ihre Altersgruppe zuge- lassen sind. Seit 2007 müssen Pharmahersteller laut einer EU-Verordnung deshalb bei der Zulassung neuer Arzneimittel auch Daten zum Einsatz bei Kindern einreichen. Bei bereits zugelassenen Arzneimitteln muss der Hersteller zusätzlich pädiatrische Studien durchführen und anschließend eine spezielle Kinderzulassung beantragen. Flüssige Darreichungsformen wie Säfte, Tropfen oder Lösungen eignen sich gut für die Arzneimitteltherapie von Kindern. Bei der Gabe sollte eine Dosierhilfe, etwa eine Dosierpipette oder Einmalspritze, verwendet werden. Die aufgezogene Lösung darf anschließend nicht direkt in den Rachen des Kindes gespritzt werden, sondern sollte langsam in die Wangentasche geträufelt werden, damit sich das Kind nicht verschluckt. Antibiotika-Trockensäfte, Suppositorien sowie Augen-, Nasen und Ohrentopfen sind ebenfalls beratungsintensive Darreichungsformen, deren Zuberei- tung beziehungsweise Anwendung der Apotheker den Eltern genau erläutern sollte. Für die Therapie von Kindern interessante Darreichungsformen sind außerdemMi- nitabletten mit einem Durchmesser von etwa 2 Millimetern, orodispersible Minitab- letten, die in der Mundhöhle zerfallen sowie Lyophilisate.

12 ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothe- kerverbände. Bei Arzneimitteln für Kinder auf Alkoholgehalt achten. Pressemittelung März 2009, abrufbar auf www.abda.de 13 Biermann D. Babys erstes Jahr: Arzneimittel richtig anwenden. PTA Forum 11/2014; 54-56. 14 Gräfe KA. Augenarzneimittel: Richtig tropfen will gelernt sein. Pharm Ztg. 2015; 160: 2730 – 2731. 15 Becker C. Orodispersible Arzneiformen: Sekundenschnell resorbiert. Pharm. Ztg. 2012; 157:4111.

e.V. Positionspapier: Verbesserung der medizi- nischen Versorgung für Kinder und Jugendliche – Problem: Sicherheit der Arzneimitteltherapien. Abrufbar unter www.bpi.de/fileadmin/_migra- ted/pics/BPI-Positionspapier-Kinderarzneimit- tel-11.14.pdf. Stand: November 2014 6 Gensthaler BM. Kinderarzneimittel: EU-Verord- nung greift kaum. Pharm. Ztg. 2010; 155; 4858. 7 Initiative Arzneimittel für Kinder, Bundes- verband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Klinische Studien mit Kindern. Abrufbar unter www.arzneimittel4kids.de/thema-kinderarz- neimittel/regulatorische-besonderheiten-bei- kinderarzneimitteln.html 8 Hüttemann D. Tropflösung: Säugling stirbt nach Fehlanwendung. Pharm Ztg. 2017; 162: 94-95 9 Fachinformation Vigantoletten® 500 I.E./1000 I.E Vitamin D3 Tabletten. Stand: Dezember 2015 10 Berthe-Aucejo A, Girard D, Lorrot M, Bellett- re X, Faye A, Mercier JC, Brion F, Bourdon O, Prot-Labarthe S. Evaluation of frequency of paediatric oral liquid medication dosing errors by caregivers: amoxicillin and josamycin. Arch Dis Child 2016; 101:359-364 doi:10.1136/arch- dischild-2015-309426. 11 Deutsche Gesellschaft für Phytotherapie e.V. Alkohol in Phytopharmaka. Abrufbar unter www.phytotherapy.org/de/fragen-zur-phyto- therapie/faqs-zur-phytotherapie/alkohol-in- phytopharmaka/

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