FB-aktuell_Journal_4_2014

Polymedikation im Alter

Tabelle 3: Einschätzung der Häufigkeit von Nebenwirkungen 2013. 9

ren möchte und ihm beispielsweise erläu- tert, dass eine gelegentliche Nebenwir- kung höchstens einen von 100 Patienten trifft, dann hört man oft die Antwort: „Und der bin ich!“ Hier kann man sich eine Beobachtung der Psychologie zunutze machen, dass die meisten Menschen lieber zu einer größe- ren Gruppe gehören. Dieses Phänomen stammt noch aus der Zeit unserer Vorfah- ren. Das Überleben war eher gesichert, wenn Männer gemeinsam auf die Jagd gingen, Frauen gemeinsam das Feld be- stellten und die Kinder hüteten. Deshalb sollte in einem Beratungsgespräch nicht erwähnt werden, wie viele Patienten ei- ne Nebenwirkung möglicherweise erlei- den sondern, wie viele sie nicht verspüren werden. Der Appell lautet folglich: „Las- sen Sie Nebenwirkungen in die Ferne rü- cken!“ (Abbildung 2).

häufig: 1 - <10 %

gelegentlich: 0,1 – 1 %

selten: 0,01 - < 0,1 %

Definition laut BfArM

Einschätzung Ärzte

60 % 50 %

10 % 10 %

5 % 3 %

Einschätzung Apotheker

aus der Wirkung der Arzneistoffe abge- leitet werden können und die erfahrungs- gemäß häufig oder sehr häufig auftre- ten. Hier müssen dem Patienten Ratschlä- ge gegeben werden, wie er mit den Ne- benwirkungen umgeht. In manchen Fäl- len gewöhnt sich der Organismus an den Arzneistoff und die Nebenwirkung ver- schwindet nach einiger Zeit. Durch Kon- kretisierung des Einnahmezeitpunktes bezüglich der Mahlzeit lassen sich ande- re Nebenwirkungen abmildern. Schluss­ endlich kann dem Patienten auch eine Be- gleitmedikation empfohlen werden, da- mit er nicht so stark unter den Nebenwir- kungen leidet. Manchmal muss ihm aller- dings auch geraten werden, das Mittel so- fort abzusetzen, wenn er eine bestimmte Nebenwirkung verspürt und sich in ärzt- liche Behandlung zu begeben. Arzneimittel können beim Patienten Kopfschmerzen auslösen (Tabelle 4). Da- zu zählen vor allem gefäßaktive Substan- zen, die eine Dilatation der Gefäße bewir- ken, um die Blutversorgung zu verbessern und / oder den Blutdruck zu senken. Dazu gehören Calcium-Kanal-Blocker wie Am- lodipin, Felodipin, Nifedipin, Diltiazem und Verapamil. Weitere Beispiele sind zentralwirksame Antisympathotonika wie Clonidin und Moxonidin. Ebenfalls kön- nen NO-freisetzende Arzneistoffe als Ne- benwirkung Kopfschmerzen hervorrufen wie Isosorbidmononitrat (ISMN) / Isosor- biddinitrat (ISDN), Nitroglycerin und Mol- sidomin. Auch die bei erektiler Dysfunk- tion eingesetzten Phosphodiesterase-5- Hemmer (PDE-5-Hemmer) Sildenafil, Ta- Nebenwirkung Kopfschmerzen

meistens damit allein gelassen wird. Si- cher ist es nicht hilfreich, alle im Beipack- zettel aufgelisteten Nebenwirkungen mit ihm zu besprechen. Durch diese Hinweise könnte der Patient seine Wahrnehmung auf genau diese Wirkungen fokussieren und sie dann auch im Sinne einer „Self- fulfilling-prophecy“ verspüren. Bei manchen Nebenwirkungen ist es schwer, sie eindeutig mit der Arzneimit- telgabe zu erklären. Dazu gehören Ne- benwirkungen wie Unwohlsein, Abge- schlagenheit, Gähnen, Konzentrations- störungen, Nervosität, die bei vielen Arz- neimitteln als mögliche Nebenwirkungen im Beipackzettel aufgelistet sind und die häufig auch ohne Arzneimitteleinnahme oder krankheitsbedingt auftreten. Die Beratung sollte sich deshalb vor allem auf die Nebenwirkungen konzentrieren, die

Nebenwirkungen – Was kann der Apo- theker raten

Das größte Problem beim Umgang mit Nebenwirkungen ist, dass der Patient

Selten: 999 von 1000 nicht

Gelegentlich: 99 von 100 nicht

Häufig: 90 von 100 nicht

Abbildung 2: Betonen Sie, wie viele Patienten die Nebenwirkung nicht bekommen. Lassen Sie Nebenwirkungen in die Ferne rücken.              Foto: Coco / Fotolia.com

8 Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

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