FB-aktuell_Journal_4_2014

Dr. Hiltrud von der Gathen

Tabelle 2: Gründe für Non-Compliance. 8

rapietreue zeigen und eine wichtige Si- cherheitsbarriere gegen arzneimittelbe- zogene Probleme sind. 1,3 Doch nicht nur die Sicherheit wird dadurch beeinflusst, sondern auch der Erfolg der Therapien. 6 Aus ökonomischer Sicht ist Non-Adhärenz eine „Volkskrankheit“, bei der finanzielle Ressourcen verschleudert werden. Außer- dem ist die Erkenntnis wichtig, dass die Adhärenz umso besser ist, je individueller die Kommunikation abläuft. Ein Infobrief verändert die Adhärenz nicht, während regelmäßige Gespräche die Adhärenz ver- doppeln, 7 (Abbildung 1). Die Ursachen für Non-Adhärenz sind viel- fältig. Fragt man Ärzte nach ihrer Mei- nung, warum Patienten ihre Arzneimit- tel nicht vorschriftsmäßig einnehmen, so lautet die Antwort: „Die Verunsicherung durch das Lesen des Beipackzettels.“ 8 Eine eigene Untersuchung der Autorin brachte für Offizinapotheker das gleiche Ergeb- nis. Wie in Tabelle 2 dargestellt, ist das Er- gebnis modifiziert zu betrachten, wenn Patienten dieselbe Frage gestellt wird. Von den Befragten geben 31 Prozent an, dass sie die Arzneimittelanwendung schlicht vergessen haben. 26 Prozent ha- ben sich zwar an die nötige Anwendung erinnert, hatten die Packung jedoch zum geforderten Zeitpunkt nicht griffbereit. Dieses Ergebnis zeigt deutlich auf, dass Patienten nicht hinreichend über den Sinn ihrer Therapie informiert waren und dass ihnen die Bedeutung der Arzneiga- be nicht ausreichend bewusst war. Dies hängt häufig damit zusammen, dass sie sich kein „Bild“ von der Wirkung machen können und / oder, dass die Wirkung nicht als hinreichend lohnenswert dargestellt wurde. Wie soll es einen Laien auch mo- tivieren, beim oberen Blutdruck die Zahl 140 und beim HbA 1c -Wert die Zahl 7,5 nicht zu überschreiten? Der römische Phi- Ursachen für Non-Adhärenz

Arzneimittelanwendung vergessen

31 % 26 % 23 % 16 % 10 %

Packung zum Anwendungszeitpunkt nicht griffbereit Verunsicherung durch den Beipackzettel Allgemeine Skepsis gegenüber Arzneimitteln

Angst vor Nebenwirkungen

oder auch bei altersbedingter Multimor- bidität kann diese Anzahl an Arzneimit- teln durchaus Leben verlängern und / oder erträglich machen. Dem Patienten muss deshalb unbedingt erklärt werden, wa- rum er ein oder mehrere Arzneimittel an- wenden soll. Die Betrachtung allein der Anzahl ist nicht zielführend, wobei aber immer im Auge behalten werden muss, ob tatsäch- lich für jedes Arzneimittel eine Indikation besteht. Eine Untersuchung des Deutschen Ärzte- blattes 2013 hat gezeigt, dass die Häufig- keit des Auftretens von Nebenwirkungen auch von den Fachkreisen bei weitem überschätzt wird. 9 In Tabelle 3 werden die geschätzten Angaben im Kontext von Ne- benwirkungen von 600 Ärzten und 200 Apothekern den Häufigkeitsangaben den Definitionen des Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte (BfArM) gegenüber gestellt. Dabei zeigt sich, dass ein großer Aufklärungsbedarf selbst bei den Fachkreisen besteht, welche Zahlen- angaben sich dahinter verbergen. Wenn schon die Fachkreise die Häufig- keitsangaben laut Beipackzettel über- schätzen, so wird es bei der allgemeinen Bevölkerung nicht anders sein. Im Bera- tungsgespräch muss dem Patienten des- halb erläutert werden, was die Begriffe beinhalten. Wenn man jedoch einen Pa- tienten trösten und damit positiv motivie- Umgang mit Nebenwirkungen – Häufig- keit des Auftretens

losoph Seneca stellte bereits fest: „Wenn ein Seemann nicht weiß, welchen Ha- fen er ansteuert, dann ist jeder Wind der falsche Wind.“ Wenn ein Patient folglich nicht weiß, warum er ein Arzneimittel an- wendet, dann kann jedes Arzneimittel ein „falsches“ Arzneimittel sein. Als wei- tere Gründe für Non-Adhärenz nannten 23 Prozent den Beipackzettel, 16 Prozent allgemeine Skepsis gegenüber Arzneimit- teln und 10 Prozent die Angst vor Neben- wirkungen (Tabelle 2). Eine Untersuchung über die Ursachen von Non-Compliance der Boston Consul- ting Group brachte 2013 ein ähnliches Er- gebnis für die USA. 7 Hier rangieren das Vergessen der Einnahme und die Angst vor Nebenwirkungen auf den Plätzen 1 und 2. Die Nichtanwendung wird unzwei- felhaft durch das Lesen des Beipackzettels gefördert, der wesentlich mehr die Merk- male eines Gefahrenblattes aufweist als die einer Gebrauchsanweisung. Aus be- hördlicher Sicht ist die Darstellung der po- sitiven Seiten des Arzneimittels, des Nut- zens der Therapie, nicht vorgesehen, so dass sich die Frage erhebt, wann und wo der Patient von positiven Seiten eines Arz- neimittels hört. Vielmehr hört und liest er häufig in den Medien von pauschalierten Verunglimpfungen. So lautete beispiels- weise die Aussage in einem Artikel der Frankfurter Rundschau vom 27. Dezem- ber 2013: „Im Schnitt nehmen Männer über 65 Jahren täglich über 7,3 Medika- mente ein, bei den Frauen sieht es ähn- lich übel aus.“ Mit keinem Wort werden Indikationen erwähnt. Bei einer Chemo- therapie oder nach einer Transplantation

Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 7

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