Online Mitteilungsblatt 2/2022, 2. Dezember 2022

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ONLINE-AUSGABE 2 · 2022

2. Dezember 2022

Spargesetz gefährdet Versorgung vor Ort Digitale Wintersitzung des Apothekerparlamentes

HAUSHALTSPLAN 2023 Ausgabenseite nahezu unverändert Seite 5 MOTOR DER DIGITALISIERUNG E-Rezept: Apotheken gehen voran Seite 6 CIRS-GIPFEL 2023 Miteinander für das Patientenwohl Seite 10

INHALT

KAMMERVERSAMMLUNG

03 Appell an die Ampel-Koalition: Overwiening fordert deutliche Stärkung der Apotheke vor Ort Flächendeckung und Fachkräfte im Fokus 05 Haushaltsplan der Kammer trägt der schwierigen Wirtschaftslage Rechung 05 Beschlüsse der Kammerversammlung auf einen Blick

DER VORSTAND INFORMIERT

06

Ihr Kammervorstand / Ihre Ansprechpartner*innen

06 „Apotheken sind und bleiben Motor der Digitalisierung im Gesundheitswesen“

ÖFFENTL ICHKEITSARBEIT

07 Stabile Versorgung vor Ort bedarf verlässlicher Finanzierung und zusätzlicher Fachkräfte 08 Satirische Infokampagne soll wachrütteln: Mehr Vorsicht bei Arzneimitteleinnahmen

CIRS-GIPFEL

10 Über 100 Teilnehmer*innen beim CIRS-Gipfel: Sicherheitskul- tur kommt den Patient*innen und Heilberufler*innen zugute

11

IMPRESSUM

Deine Apotheke vor Ort kümmert sich um Dich und Dein Rezept. Egal, ob es auf Papier oder digital zu uns kommt. Und wenn Du nicht selbst kommst: Mobile Bestellung und Beratung plus Botendienst machen Dir das Leben einfacher.

2 / AKWL Mitteilungs blatt online 01-2020 E-REZEPT? APOTHEKE!!

Meine Apotheke in Westfalen-Lippe

KAMMERVERSAMMLUNG

Kammerversammlung in „Digitalien“: Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, Vizepräsident Frank Dieckerhoff (oben rechts), Hauptgeschäftsführer Dr. An dreas Walter (unten rechts) und Geschäftsführer Kommunikation Michael Schmitz führten durch die Dezembersitzung des Apothekerparlamentes.

Appell an die Ampel-Koalition: Overwiening fordert deutliche Stärkung der Apotheke vor Ort Digitale Kammerversammlung der AKWL/Flächendeckung und Fachkräfte im Fokus

Äußerst schmerzhafte Einschnitte „23 Cent weniger pro abgegebener Arz neimittelpackung mögen sich niedlich anhören. Über zwei Jahre bedeutet dies jedoch einen Sparbeitrag der Apotheken von 240 Millionen Euro netto“, erläuterte die Präsidentin. Dies sei äußerst schmerz haft für die Apotheken, während es oben

Berufsstand, der in fast drei Jahren Pan demie gezeigt habe, wie unverzichtbar er für die Gesundheitsversorgung ist, sei unter den Nullpunkt gesunken: „Das in den kommenden Wochen und Monaten weitere Apotheken schließen werden, die für die Versorgung der Menschen in den Quartieren gebraucht werden, geht auf

> Eine deutliche Stärkung der Apo theken vor Ort fordert die Präsi dentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening. In der digitalen Sit zung des Apothekerparlamentes machte sie am Donnerstag in ih rem Lagebericht deutlich, wie sehr das GKV-Finanzstabilisierungsge setz die öffentlichen Apotheken belastet. „Die hohe Inflation, explodierende Ener giekosten und steigende Personalkosten auf der einen Seite und auf der ande ren Seite eine Erhöhung des Kassenab schlages um 28 Cent je Arzneimittel: Das nimmt sehr vielen Apotheken die Luft zum Atmen.“ Die Stimmung im

„ Erst wurde unser unermüdlicher Einsatz in der Pan demie beklatscht. Und dann gab es die Klatsche in Form des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes. “ KAMMERPRÄSIDENTIN GABRIELE REGINA OVERWIENING KRITISIERT DIE SPARPOL ITIK DER AMPEL-KOAL ITION

drein kaum helfe, das Finanzloch der Ge setzlichen Krankenversicherung in Höhe von 17 Milliarden Euro zu stopfen. Es

die Kappe der Ampel-Koalition und ihres einseitigen und ungerechten Spargeset zes“, so die Kammerpräsidentin.

AKWL Mitteilungs blatt online 2-2022 / 3

KAMMERVERSAMMLUNG

gehe wohl darum, dass allen Leistungserbringern ein Opfer ab verlangt werden sollte. Overwiening berichtete ausführlich über die Vielzahl an politischen Gesprächen, die sie zum Teil mehr fach täglich in Berlin geführt habe: Staatssekretäre, gesund heitspolitische Sprecher der Parteien und weitere Parlamenta rier hätten bis zuletzt versichert, dass es Kompensationen für die Apotheken geben sollte. Diese seien nun für 2023 in Aussicht gestellt worden. Immerhin habe man bei vielen Abgeordneten ein Bewusstsein für die alltäglichen wie existenziellen Probleme der öffentlichen Apotheken schaffen können. Mit Blick auf die im kommenden Jahr anstehenden weiteren Gesetzesvorhaben im Gesundheitswesen forderte Overwie ning: „Die nächsten Gesetze müssen den Charakter von Apo thekenstärkungsgesetzen haben.“ Als konkrete Forderungen benannte sie unter anderem eine signifikante Dynamisierung des Honorars, ein Verbot von „Null-Retaxierungen“ und eine Ab schaffung des Bürokratiemonsters der apothekerlichen Präqua lifizierung. Ganz oben auf der Agenda müsse außerdem stehen, die Arzneimittellieferengpässe zu bekämpfen und den mit den Engpässen verbundenen enormen personellen Mehraufwand in der Apotheke zu vergüten. Dies bestätigte nahezu zeitgleich zur Kammerversammlung auch eine Verlautbarung des SPD Gesundheitsexperten Dirk Heidenblut, der darin ein Apotheken stärkungsgesetz ankündigte. Digitale Sitzung mit hoher Beteiligung Noch einmal und, wie Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Wal ter ausführte, hoffentlich ein letztes Mal, fand die Dezember Sitzung als Digitalkonferenz statt, auch wenn die Pandemielage wieder eine Sitzung in Präsenz ermöglicht hätte. „Angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen und insbesondere der akuten Personalengpässe in vielen Apotheken haben wir uns daher ganz bewusst für eine digitale Sitzung entschieden“, erläutert Haupt geschäftsführer Dr. Andreas Walter. Ein Konzept, das aufging: Von 97 Delegierten beteiligten sich am Donnerstag 86 an der Debatte und der digitalen Abstimmung. Hinzu kamen 26 weite re Ehrengäste und Zuhörer*innen. Lieferengpässe verschärfen sich dramatisch Viel Raum imPräsidentinnenbericht und in der anschließend De batte nahmen die sich dramatisch verschärfenden Arzneimittel engpässe ein. Ihr Handling mache einer aktuellen Berechnung zufolge inzwischenmindestens zehn Prozent der Arbeitszeit aus, Tendenz stark steigend. „Die Lieferengpässe bringen uns alle an den Rand der Verzweiflung, da wir unsere Patienten nicht ver sorgen können”, betonte Overwiening. Auch hier suche das Bun desgesundheitsministerium derzeit das Gespräch, was aus Sicht der Apotheken getan werden kann. Die Präsidentin kündigte an, dass die Apotheken nicht länger bereit seien, hier die Fehler Drit ter auszubügeln, die andere gemacht haben, zumal es beim Ver sandhandel dann schlichtweg nur „nicht lieferbar” heiße. Die Delegierten berichteten zum Teil, dass Patient*innen in Grenzgebieten in die Niederlande geschickt wurden, weil dort noch Ibuprofen- oder Paracetamol-Präparate für Kinder vorhan den waren. Sogar Krebspatienten können nicht immer versorgt werden – und Pneumologen und Urologen stritten sich darü ber, wer das nicht lieferbare Cotrimazol für seine Patient*innen

dringender braucht und noch verordnen darf. Overwiening warb darfür, dass möglichst viele Mitglieder in ihrem Wahlkreis mit den Abgeordneten zu all diesen Themen sprechen sollten. Zahl der Apotheken sinkt weiter Rückläufig bleibt, und dies bereits im 18. Jahr in Folge, die Zahl der Apotheken im Landesteil. Sie ist von 1.797 zu Jahresbeginn auf nur noch 1.768 gesunken. Im Jahr 2002 gab es noch 500 Apo theken mehr in Westfalen-Lippe. Weil 473 Apotheken als Filialbetriebe geführt werden, „ste cken“ hinter der Gesamtzahl nur noch 1.297 Inhaberinnen und Inhaber. „Das ist der niedrigste Wert seit 55 Jahren“, konsta tiert Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening. Weite re Schließungen sind bereits bis zum Jahresende angekündigt. Handlungsempfehlungen für die Sicherung der Versorgung vor Ort erhoffen sich die beiden Apothekerkammern in NRW von einer gemeinsamen Studie mit dem Institut für Handelsfor schung, die im Februar 2023 vorliegen soll. < Signal der politischen Einsicht: Zeitgleich zur Kammerversammlung in Berlin sendete MdB Dirk Heidenblut (SPD) erste Signale für ein Apothekenstärkungs gesetz und fordert ebenso einen Verzicht auf Nullretaxationen.

4 / AKWL Mitteilungs blatt Online 02-2021

KAMMERVERSAMMLUNG

Haushaltsplan der Kammer trägt der schwierigen Wirtschaftslage Rechnung Minimaler Anstieg um 1,83 Prozent / Haushaltsplan mit großer Mehrheit beschlossen

> Die Delegierten der Kammerver sammlung befassten sich in ihrer ganztägigen Sitzung am 1. Dezem ber auch mit dem Haushaltsplan für das Jahr 2023. „Der Kammerhaushalt wird im neuen Jahr ungeachtet der hohen Inflationsrate nur ganz gering ansteigen: „Wir planen mit einem Haushalt in Höhe von 8,223 Millionen Euro. Das entspricht einem Zu wachs von 1,83 Prozent (147.500 Euro). Auf der Ausgabenseite steht eine Stei gerung von 2,06 Prozent (162.500 Euro), bei einer geplanten Rücklagenzuführung von 170.000 Euro. „Wenn man die Mehr ausgaben durch erhöhte ABDA-Beiträge in Höhe von 100.300 Euro sowie den um 105.000 Euro ansteigenden Finan zierungsanteil für unsere Pharmazie Stiftungsprofessur herausrechnet, dann würden die Ausgaben im Jahr 2023 sogar um 0,5 Prozent zurückgefahren“, berich tete Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Walter. Alle Apothekeninhaber*innen werden 2023 um durchschnittlich 153 Euro Zu satzbeitrag entlastet. Die Kammer wird in zwei Quartalen darauf verzichten, die Sonderumlage zur PTA-Ausbildungsför derung zu erheben. „Hier verfügen wir

Herr der Zahlen: „ Finanzminister ” Friedrich Averbeck hatte in bewährter Manier den Haushaltsplan vorbe reitet, der am 1. Dezember von den Delegierten des Apothekerparlamentes beraten wurde.

werden, so wie es die Kammerversamm lung zuvor bereits beschlossen habe. Für alle Kammermitglieder liegt der Haushaltsplan vom Dienstag, 10. Janu ar 2023 bis zum Freitag, 20. Januar 2023 in der Kammergeschäftsstelle während der üblichen Geschäftszeiten zur Einsicht bereit. <

über eine auskömmliche Rücklage, die eine solche Entlastung ermöglicht“, erläu tert Walter. Die Entlastung sei möglich, ohne das gute Niveau der PTA-Ausbildung zu gefährden. Die erforderlichen Mittel zur Sicherung der Ausbildung würden bereitgestellt, und im Bedarfsfall könne die Förderung auch wieder hochgefahren

Beschlüsse der Kammerversammlung auf einen Blick Haushaltsplan 2023 und Antrag zur Zukunft der Apotheke mit deutlichen Mehrheiten genehmigt

> Mit großer Einigkeit genehmigten die Delegierten der Kammerversammlung per digitaler Abstimmung die vorgelegten Beschluss vorlage zumHaushaltsplan ebenso wie den Antrag von KV-Mitglied Jörg Nolten, sich in der nächsten Kammerversammlung im Früh jahr ausführlich mit der Zukunft der Apotheken unter den Schwerpunkten Förderung der PTA-Schulen in Westfalen-Lippe und des approbierten Nachwuchses zu befassen.

Etatberatungen der AKWL Haushaltsplan 2022:

61 Zustimmungen, 3 Ablehnungen, 3 Enthaltung

Antrag Apotheker Jörg Nolten, Glocken-Apotheke, Bottrop Abstimmung:

60 Zustimmungen, 4 Ablehnungen, 3 Enthaltungen

AKWL Mitteilungs blatt online 02-2022 / 5

DER VORSTAND INFORMIERT

Ihr Kammervorstand Ihre Ansprechpartner*innen PräsidentinGabriele Regina Overwiening Apotheke am Bahnhof, Augustin-Wibbelt Platz 1, 48734 Reken, Tel.: 02864 94810, E-Mail: g.overwiening@akwl.de Vizepräsident Frank Dieckerhoff Funkturm-Apotheke, Arcostraße 78, 44309 Dortmund, Tel.: 0231 253247, E-Mail: info@funkturm-apotheke.de Dr. Claudia Brüning c/o Stern-Apotheke, Ludgeristraße 66, 48143 Münster, Tel.: 0251 1345538, E-Mail: clcbruening@arcor.de Eva-Maria Gödde c/o Colosseum Apotheke Brüning, Altstadtstraße 32, 44534 Lünen, E-Mail: evagoedde@gmail.com Dr. Günter Hagenhoff medipharm GmbH Michaelstraße 21, 44329 Dortmund, E-Mail: g.hagenhoff@medipharm.de Dr. Hannes Müller Römer-Apotheke Pharmazie am See OHG, Weseler Straße 20, 45721 Haltern am See, Tel.: 02364 7566, E-Mail: hannes.mueller1@gmail.com Sandra Potthast c/o Höke's Alte-Apotheke Weitmar, Hattinger Straße 334, 44795 Bochum, Tel.: 0234 431421, E-Mail: sandra.potthast@ arcor.de Dr. Lars Ruwisch Hirsch-Apotheke amMarkt, Lange Straße 63, 32791 Lage, Tel.: 05232 951050, E-Mail: ruwisch@hirsch-apotheke-lage.de Dr. Philipp Schulte-Mecklenbeck Bären-Apotheke Pharmazie am See OHG, Rekumer Str. 18, 45721 Haltern am See, Tel.: 02364 2600, schultemecklenbeck@gmail.com Christine Weber c/o Amts-Apotheke, Alte Bahnhofstr. 82, 44892 Bochum, Tel.: 0234 280717, E-Mail: christine.weber@mailbox.org Heinz-Peter Wittmann Auf dem Brink 3, 32289 Rödinghausen, Tel.: 05746 9389111, E-Mail: h-p@wittmann.nrw

Austausch über das E-Rezept: In der digitalen Kammerversammlung am 1. Dezember war auch das größte (und langsamste) Digitalprojekt im Gesundheitswesen ein zentrales Thema.

„Apotheken sind und bleiben Motor der Digitalisierung im Gesundheitswesen“ Kammerversammlung: Status-quo-Bericht zur E-Rezept-Einführung

Prozent. Die Apotheken haben viel Geld in technische Anwendungen investiert, die jetzt nicht abgerufenwerden“, so Schmitz, der hinzufügte: „Wenn wir mit der Ein führung entscheidend vorankommen wollen, dann müssen schleunigst mehr E Rezepte in die Apotheke kommen. Dies sei gerade auch für die Apotheken-Teams wichtig, die viel Geld, Nerven und Zeit in die E-Rezept-Bereitschaft investiert hät ten, aber viel zu wenige E-Rezepte verar beiten könnten, um die internen Prozesse im Arbeitsalltag zu verstetigen. Dafür bedürfe es zweierlei: Eine deut lich höhere Zahl teilnehmender Arztpra xen und des gemeinsam mit der Ärzte schaft geforderten Transports von E-Re zepten über die Krankenversichertenkar te: „Hier bremst gerade der Datenschutz in Deutschland einmal mehr den digita len Fortschritt aus. Wir müssen feststel len, dass Länder wie Albanien, Costa Rica oder Kenia, mit den wir uns sonst eher selten vergleichen, leider technisch deut lich weiter sind als wir.“ Allen Apothekenteams steht das Tele matik-Team der Apothekerkammer wei terhin jederzeit sehr gerne mit Rat und Tat zur Seite. Der einfachste Weg zur Kon taktaufnahme ist eine E-Mail an die Ad resse e-rezept@akwl.de. <

> Einen Statusbericht über den Stand der Einführung des E-Rezep tes gabMichael Schmitz, Geschäfts- führer Kommunikation, IT und Neue Medien. 20 Jahre nach der im September 2002 von der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt getätigten Aussage, „das E Rezept funktioniert“ sei man im Grunde nur Trippelschritte vorangekommen. Ob wohl seit September alle über 100.000 medizinischen Einrichtungen gesetzlich verpflichtet seien, elektronisch zu verord nen, sind dazu aktuell weniger als 2.000 Praxen und Krankenhäuser in der Lage, wie der tagesaktuelle Blick auf das soge nannte Dashboard der Gematik zeige: „Derzeit werden bundesweit im Schnitt gerade einmal 7.000 bis 8.000 E-Rezepte pro Tag ausgestellt.“ Apotheken sind wieder die Vorreiter Dass die Digitalisierung im Gesundheits wesen weiter im Schneckentempo voran gehe, dürfe man aber keineswegs den Apotheken anlasten: „Wir können mit großem Stolz feststellen, dass in Deutsch land 75 Prozent der Apotheken E-Rezept bereit sind. In der Modellregion Westfa len-Lippe liegt die Quote sogar bei fast 90

6 / AKWL Mitteilungs blatt Online 02-2021

KOLUMNENTITEL ÖFFENTL ICHKEITSARBEIT

Stabile Versorgung vor Ort bedarf verlässlicher Finanzierung und zusätzlicher Fachkräfte Vizepräsident Frank Dieckerhoff empfangt Landtagsabgeordnete zum Austausch

> Gleich zwei Landtagsabgeordnete der SPD hatte Frank Dieckerhoff, Vizepräsident der Apothekerkammer West falen-Lippe, am Freitag zu Gast in seiner Apotheke: Nadja Lüders, die zugleich auch als Generalsekretärin der NRW SPD fungiert, besuchte gemeinsammit Volkan Baran die Funkturm-Apotheke in Dortmund. In dem gut 90-minütigen Vor-Ort-Termin machten sich die bei den Abgeordneten ein Bild von der Arzneimittelversorgung in ihrer Stadt und tauschten sich mit Dieckerhoff über aktuelle ge sundheitspolitische Fragestellungen aus. „Versorgung in Pantoffelnähe“ lautet die Devise der Stadtteil Apotheke, die seit Schließung der einzigen Hausarztpraxis noch wichtiger für die vorwiegend älteren Menschen im Quartier ge worden ist. Dieckerhoff zeigte auf, dass in seiner Apotheke daher Impfungen gegen Corona und Grippe besonders gefragt sind. Außerdem führte er die Landtagsabgeordneten durch das Labor und Back-Office der Apotheke, das nicht nur über einen hochmo dernen Kommissionier-Automaten verfügt, sondern längst auch für die Bearbeitung von E-Rezepten vorbereitet ist. Dieckerhoff kritisiert GKV-Finanzstabilisierungsgesetz Frank Dieckerhoff sparte dabei nicht mit Kritik am jüngst vom Bundestag verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: „Dass die Apotheken jetzt für zwei Jahre mit insgesamt je 120 Millionen Euro belastet werden, ist für uns ein schwerer Schlag ins Kontor.“ Zuletzt sei die apothekerliche Vergütung im Jahr 2013 leicht erhöht worden. Seitdem stagniere sie und ab Fe bruar 2023 werden sie sogar abgesenkt, während die Ausgaben für Löhne, Sach- und Energiekosten davongaloppierten: „Die lo gischen Konsequenzen dieser einseitigen Sparpolitik sind eine unglaublich große Demotivation bei vielen meiner Kolleginnen und Kollegen und zusätzliche Apothekenschließungen“, so Die ckerhoff. Das untermauerte er mit einem Blick auf den deutli chen Rückgang der Apothekenzahlen in seiner Stadt: „Vor zehn Jahren haben wir in Dortmund noch 152 Apotheken gezählt. Ak tuell sind es nur noch 117. Das ist ein Rückgang um 23 Prozent.“ Fachkräfte entscheiden über die Versorgung Weitere Gesprächsthemen waren der Fachkräftemangel, der auch vor den Apotheken nicht Halt macht, Lieferengpässe bei Arzneimitteln und die Frage, ob Apotheken zukünftig Cannabis als Genussmittel abgeben sollen. Dieckerhoff sieht hier einen Widerspruch mit dem heilberuflichen Auftrag seines Berufes. Daher sei dies allenfalls als freiwilliges Angebot von Apotheken denkbar. Volkan Baran und Nadja Lüders nahmen von ihrem Apothekenbesuch zahlreiche Informationen und Erkenntnisse mit und versprachen, den Dialog fortzusetzen. Die wohnortnahe und niederschwellige Versorgung durch die Apotheke sei durch

AKWL-Vizepräsident Frank Dieckerhoff (r.) hatte die Dortmunder SPD-Land tagsabgeordneten Nadja Lüders und Volkan Baran zu Gast in seiner Apotheke.

nichts zu ersetzen: „Daher müssen wir im Gespräch bleiben, Ihre Argumente auf der Landesebene besprechen und auch weiter in die Bundespolitik tragen“, so Baran und Lüders. Als nächstes ver abredeten sie daher einen Austausch der SPD-Gesundheitsex perten im Landtag mit Dieckerhoff und weiteren Vertretern der Kammer, mit besonderem Blick auf die Themen flächendecken de Versorgung und Fachkräfte. Beides ist untrennbar miteinan der verwoben, wie Dieckerhoff aufzeigte. Die Frage, ob zukünf tig auch in auskömmlicher Zahl pharmazeutische Fachkräfte für die Apotheke vor Ort bereitstehen, entscheidet darüber, ob die wohnortnahe Versorgung im Quartier aufrechterhalten werden kann. <

AKWL Mitteilungs blatt online 02-2022 / 7

ÖFFENTL ICHKEITSARBEIT

Vizepräsident Frank Dieckerhoff (re.) und Kommunikationsgeschäftsführer Michael Schmitz stellten die neuen Kampagnen-Spots vor, die auf die Gefahr von Wechselwirkungen aufmerksammachen.

Satirische Infokampagne soll wachrütteln: Mehr Vorsicht bei der Arzneimitteleinahme Zweite Staffel von WeWi-TV nimmt weitere gefährliche Wechselwirkungen in den Blick

Präparate Vorsicht geboten ist: Auch die Kombination von Medikamenten mit vermeintlich harmlosen Präparaten kann dramatisch enden. Auch die zweite Auflage der Kampag ne setzt wieder auf einen satirischen An satz: „Die Videos sind bewusst nicht so sachlich. Sie sollen auffallen und für das Thema „Wechselwirkungen“ sensibilisie ren. Dafür haben wir das Mittel der Satire gewählt. Aber wir verbinden es überall auch mit Fakten und Informationen“, er gänzt Michael Schmitz, Geschäftsführer Kommunikation bei der AKWL. Schwerpunkt Social Media-Kanäle Die Videos von WeWi-TV werden auf den Social-Media-Kanälen der AKWL (Insta gram, Facebook und YouTube) sowie auf der Kampagnen-Website www.wewi.tv veröffentlicht. Dort finden Patient*innen neben satirischen Inhalten sachliche Auf klärung zu einzelnen Wechselwirkungen:

> Eine satirische Kampagne, um mehr Bewusstsein für die Gefahr von Wechselwirkungen zu schaf fen: „WeWi-TV“ der Apotheker kammer Westfalen-Lippe (AKWL) geht in diesem Herbst weiter.

Mit einem Maus-Klick kann man zwi schen Satire-Version und seriösen Infos wechseln. Auch in vielen hundert Apotheken im Kammergebiet wird auf die Kampagne aufmerksam gemacht. Dort liegen Post karten mit satirischen „WeWi-Regeln“ aus, die alle Apotheken per Mail an pres se@akwl.de ordern können. Analog zu traditionellen „Bauernre geln“ weisen die Postkarten in Reimform und provokant formuliert auf die Gefah ren von Wechselwirkungen hin. Auf der Rückseite wird die Gefahr, die von der je weiligen Wechselwirkung ausgeht, sach lich erklärt und auf die Beratungskompe tenz der Apotheke verwiesen, denn: „Die Teams in den Apotheken vor Ort sind und bleiben unverzichtbar, wenn es um die Aufklärung zu Wechselwirkungen, aber auch um die generelle Erklärungs- und Beratungsbedürftigkeit von Arzneimit teln geht“, sagt Frank Dieckerhoff. <

Drei neue aufmerksamkeitsstarke Videos zeigen, welche gefährlichen FolgenWech selwirkungen haben können. „Arzneimit tel sind beratungsbedürftige Güter und Wechselwirkungen sind kein Spaß. Das wollen wir mit WeWi-TV eindrücklich klarmachen“, so Frank Dieckerhoff, Vize präsident der AKWL bei der Premiere der neuen Spots im Cineplex Münster. Jedes Jahr gibt es in Deutschland Schät zungen zufolge rund 250.000 Kranken hauseinweisungen, die auf vermeidbare Medikationsfehler zurückzuführen sind. WeWi-TV (kurz für Wechselwirkungs-TV) zeigt, dass nicht nur bei der Einnahme verschiedener verschreibungspflichtiger

8 / AKWL Mitteilungs blatt online 02-2022

ÖFFENTL ICHKEITSARBEIT

Impressionen von den Dreharbeiten (Foto li.) und der Premiere der zweiten Staffeln von WeWi-TV im Cineplex in Münster.

AKWL Mitteilungs blatt online 02-2022 / 9

CIRS-GIPFEL

Über 100 Teilnehmer*innen beim CIRS-Gipfel Sicherheitskultur kommt den Patient*innen und Heilberufler*innen zugute

> Ein offener Umgang mit sicher heitsrelevanten Ereignissen kommt allen Seiten zugute: denje nigen, die aus Fehlern anderer ler nen, ohne sie selbst zu begehen; und denjenigen, die einen Fehler nicht am eigenen Leib erfahren müssen, da bereits präventive Maßnahmen zur Vermeidung er griffen wurden.

Was im Bereich der Luftfahrt, wo jeder Fehler eine Katastrophe auslösen kann, gang und gäbe ist, hat sich mit CIRS-NRW auch im Bereich von Arztpraxen, Apo theken und Krankenhäusern etabliert. Denn auch hier können Fehler schlimms te Folgen nach sich ziehen. CIRS – das steht für „Critical-Incident-Reporting System“. Es ist ein einrichtungsübergrei fendes internetgestütztes Berichts- und Lernsystem für anonyme Berichte von kritischen Ereignissen in der Patienten versorgung. Aktuelle Themen und Er kenntnisse aus diesem lebenswichtigen Arbeitsbereich standen nun im Fokus des alle zwei Jahre stattfindenden CIRS NRW-Gipfels in Münster – über 100

CIRS-Gipfel mit hohem Praxisbezug: Stark frequentiert war auch der „Room of Horror“, der ein Patien tenzimmer in einem Krankenhaus nachbildete.

getragen wird CIRS-NRW von gleich sie ben Organisationen: den Ärztekammern, den Apothekerkammern und den Kassen ärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie von der Kranken hausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Seit zehn Jahren leistet CIRS-NRW bereits aktiv einen Beitrag für die Sicherheitskul tur im Gesundheitswesen. Präventiv agieren! Worauf es bei CIRS ankommt, stellte Dr. Annette Gebauer (Geschäftsführerin In terventions for Corporate Learning) in ihrer Keynote heraus: Es gelte, präventiv zu agieren und eine Kultur zu etablieren, damit man über Dinge sprechen könne, die nicht optimal laufen, so Gebauer. Die Bedeutung einer offenen Sicher heitskultur hatten auch Mark G. Fried rich (Geschäftsführer der Ärztekam mer Westfalen-Lippe) und Dr. Hannes Müller (Vorstandsmitglied von Apo thekerkammer Westfalen-Lippe und

Ärzt*innen, Apotheker*innen und Risiko Manager*innen aus Krankenhäusern ka men in die Räumlichkeiten der Ärztekam mer Westfalen-Lippe. Organisatorisch

Vorstandsmitglied Dr. Hannes Müller (li.) eröffnete den Jubiläums-CIRS-Gipfel in Münster, den Dr. Oli ver Schwalbe und sein Teammustergültig organisiert hatten.

10 / AKWL Mitteilungs blatt online 02-2022

CIRS-GIPFEL · IMPRESSUM

Impressum

Mitteilungsblatt der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Ausgabe online 2/2022 Herausgeber Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Bismarckallee 25, 48151 Münster, Tel: 0251 520050, Fax: 0251 521650,

E-Mail: info@akwl.de, Internet: www.akwl.de Redaktion Michael Schmitz (V. i. S. d. P.), Dr. Andreas Walter

Layout Petra Wiedorn, Michael Schmitz Mitarbeiter*innen an dieser Ausgabe Michael Schmitz, Sebastian Sokolowski Das Mitteilungsblatt (MB) der Apothe kerkammer Westfalen-Lippe erscheint regelmäßig circa alle zwei Monate. Das nächste Mitteilungsblatt (Nr. 1/2023) ist wieder eine Druck-Ausgabe. Der Redaktionsschluss ist am 30.12.2023. Der Bezugspreis ist für die Mitglieder der AKWL im Kammerbeitrag enthalten. Nachdruck – auch in Auszügen – nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausge bers. Bildernachweise Titelbild, S. 10 ©RED. CIRS S. 3 , 4 ©Sebastian Sokolowski dass die nachgestellten „Fehler“ mit Auf merksamkeit und auch als Team entdeckt wurden. Beispiele wie diese zeigen, wie bedeu tend es für alle an der Patientenversor gung Beteiligten ist, aus den eigenen und den Erfahrungen anderer konstruktiv zu lernen, Lösungsstrategien zu entwickeln und daraus entsprechende Maßnahmen für die Zukunft abzuleiten. Das seit 2012 in NRW existierende CIRS-Netzwerk wird dabei auch zukünftig einen grundlegen den Beitrag zur aktiven Patientensicher heit leisten. < S. 3, 5 ©Petra Wiedorn S. 6, 7 ©Michael Schmitz S. 8, 9 ©Peter Leßmann S. 10 ©Michael Möller S. 9 ©Birte Kassenbrock

Einblick in den CIRS-Gipfel 2022: In einer provisorisch eingerichteten Apotheke wurden Medikationsfeh ler für kleine Gruppen erlebbar gemacht.

Bundesapothekerkammer) in ihren Be grüßungsworten unterstrichen: „Fehler können passieren, auch im Gesundheits wesen“, so Friedrich, „derselbe Fehler soll te nur nicht zweimal passieren. Wichtig ist, transparent und ohne Schuldzuwei sung mit solchen Fehlern umzugehen, und zwar sektoren- und berufsgruppen übergreifend.“ Hannes Müller betonte dies ebenfalls: „Ich erlebe jeden Tag, wie wichtig der offene Austausch über Fehler ist, berichtete Müller aus seinem Alltag als Apotheken-Inhaber. „Wir müssen uns bewusst sein, dass Fehler überall möglich sind, und uns darüber austauschen – so wohl im Apothekenteam als auch mit anderen Akteuren.“ Müller verdeutlichte in seinem Grußwort zudem, wie die an fänglichen Bedenken der Ärzteschaft, die Apothekerinnen und Apotheker an dem gemeinsamen CIRS-Portal zu beteiligen schon bald einem sehr guten interprofes sionellen Miteinander gewichen seien. Workshops und „ Rooms of Horrors ” Im Zentrum des Gipfels standen diver se Workshops, die sich mit Themen wie angstfreier Kommunikation, Patienten sicherheit in der Akutversorgung (An onymes Meldesystem Akutversorgung – AMA) und Führung beschäftigten. Die Bedeutung von Sicherheitskultur hautnah erlebbar machten zwei eigens

eingerichtete „Rooms of Horror“: In ei ner provisorisch eingerichteten Apothe ke wurden Medikationsfehler für kleine Gruppen erlebbar gemacht. Sei es eine Namensverwechslung (Unterschied zwi schen Rezept und Lieferschein erkennbar) oder irreführende Dosierungsangaben – 2,5 Milligramm Wirkstoff, oder doch 2,5 Tabletten eines Präparats. Im Team galt es, mögliche Fehlerquellen zu erken nen und auszumerzen. Das gilt auch für eine falsche Dosis eines Medikaments für frühgeborene Säuglinge, die auf in dividuell herzustellende Arzneimittel angewiesen sind: Auch hier gelte es, die Plausibilität der Dosis zu prüfen, so die Organisatoren. Vermeintliche Details sind relevant Stark frequentiert war auch ein weiterer „Room of Horror“, der ein Patientenzim mer in einem Krankenhaus nachbildete. Und auch hier sind es wiederum ver meintliche Kleinigkeiten, die sicherheits relevant sind: Ein Patient erhält Penicillin, obwohl bereits eine Penicillin-Allergie do kumentiert ist. Den lebertoxischen Wirk stoff Paracetamol bekommt der Patient gleich doppelt – sowohl als Tablette als auch als Infusion. Und zu essen gibt’s als Nachtisch „normalen“ Joghurt: Die doku mentierte Laktose-Intoleranz des Patien ten wird übersehen. Auch hier zeigte sich,

AKWL Mitteilungs blatt online 02-2022 / 11

„E-Rezept? Ganz einfach. Mit meiner Apotheke vor Ort.“ #unverzichtbar Gemeinsam in die digitale Zukunft.

Das ist neu: das elektronische Rezept. Das bleibt: die kompetente Beratung in der Apotheke vor Ort.

Meine Apotheke in Westfalen-Lippe.

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